Die Entwicklung der Automobilbeschichtungen im Laufe der Jahre ist beispiellos – kaum eine andere Branche hat ein solches Wachstum erlebt, neue Technologien genutzt und sich von einem nahezu manuellen Prozess zu einem hochautomatisierten und schlanken High-Tech-System transformiert. Dieses Wachstum ist auf eine fast 50%ige Zunahme der Neufahrzeugproduktion zwischen 2000 und 2022 (Abbildung 1) sowie eine parallele Zunahme der Erwartungen der Kunden an die Beschichtungen selbst zurückzuführen.
Dieser Artikel liefert Antworten auf drei Fragen:
- Welche verschiedenen Schichten gibt es in einer typischen Automobilbeschichtung?
- Was ist ihr Zweck?
- Wie werden sie verarbeitet?
Eine einzelne Schicht kann nicht alle Anforderungen erfüllen. Die Automobilbeschichtung bestand schon immer aus mehreren Schichten, und es wurde viel Aufwand betrieben, um diese Anzahl zu reduzieren. Trotzdem werden auch heute noch Mehrschichtsysteme verwendet. Der Grund dafür ist sehr einfach – nur durch die Kombination mehrerer Schichten ist es möglich, die vorgeschriebenen strengen Anforderungen zu erfüllen. Es ist wichtig, daran zu denken, dass heutzutage jedes Fahrzeug extremen Belastungen ausgesetzt ist, die sich durch außergewöhnliche Wetterphänomene manifestieren: sehr hohe Temperaturen im Sommer, niedrige Temperaturen im Winter, Steinschlagbelastungen, Chemikalien- oder Abgasexposition, UV-Strahlung – Einzelschichtbeschichtungen können diesen Bedingungen einfach nicht standhalten. Deshalb sind Mehrschichtsysteme, bei denen jede Schicht eine andere Funktion erfüllt, branchenweit Standard.
Erste Schicht: elektrobeschichteter Primer
Historisch gesehen ist das erste erwähnenswerte System das dreischichtige System, bei dem die Schichten wie folgt sind: 1) elektrobeschichteter Primer, 2) sprüh lackierter Grundierer und 3) eine Deckschicht. Heutzutage ist das vierlagige System, bestehend aus 1) einem elektrobeschichteten Primer, 2) einem nass lackierten Grundierer, 3) einer Basislackschicht und 4) einem Klarlack, beliebter, da es eine größere Leichtigkeit bietet, die Anforderungen an die Beschichtungen zu erfüllen, und neue, anspruchsvolle Farbvariationen ermöglicht. Innerhalb beider Ansätze ist die erste Schicht der elektrobeschichtete Primer, der zwei Zwecke erfüllt:
- Fördert die Haftung der folgenden Schichten auf dem Substrat (Karosserie).
- Bietet Korrosionsschutz.
Es ist die einzige Schicht, die mit einer elektrochemischen Methode aufgetragen wird, und es ist das Ergebnis einer sorgfältigen Prozessoptimierung, die über Jahre hinweg entwickelt wurde. Anfangs wurden Autokarosserien manuell grundiert und später gesprüht, aber im Laufe der Zeit wurden sie immer komplexer, und diese beiden Methoden waren nicht mehr ausreichend – sie waren zu langsam, und einige der Hohlräume konnten nicht damit lackiert werden, wodurch Metall der Korrosion ausgesetzt wurde. Es folgte die Entwicklung des Tauchlackierens – große Tanks mit Chemikalien wurden verwendet und Autokarosserien darin eingetaucht. Dieser Prozess war weder effizient noch sicher – durch übermäßige Lösungsmitteldämpfe wurde Material verschwendet und die Explosionsgefahr erhöht. In den 1960er Jahren wurde ein kurzlebiger Ansatz eingeführt, bei dem in wasserbasierten Grundierungen eingetaucht wurde, um diese Probleme zu lindern, aber aufgrund der physikalischen Eigenschaften von Wasser waren die resultierenden Schichten sehr schwierig in angemessener Qualität herzustellen. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre tauchte eine Lösung auf – die Elektrobeschichtung. Autoteile werden in wässrige Lösungen eingetaucht, die aus Grundierungsmaterialien hergestellt sind, und sie wirken als Elektrode zusammen mit einer gleichzeitig eingetauchten anderen Elektrode. Mit einer direkt angelegten Spannung zwischen den Elektroden und einer sorgfältigen Optimierung der Beschichtungszusammensetzung, der Prozessbedingungen und der Nachbearbeitungsmethoden wird der Primer auf die Autokarosserie aufgetragen und bildet eine gleichmäßige, kontrollierte Schicht.
Zweite Schicht: Grundierer
Die zweite Schicht ist der sprühbeschichtete Grundierer. Ihr Zweck ist:
- Unebenheiten auf der ersten Schicht zu bedecken und auszugleichen, um eine gleichmäßige und glatte Oberfläche zu schaffen.
- Den Schutz vor Umwelteinflüssen (Chemikalien, UV usw.) zu verbessern.
- Mechanische Einwirkungen auf die Beschichtung zu absorbieren.
Der Name „Grundierer“ deutet auf die Bedeutung der Aufgabe hin, Unebenheiten auszufüllen und zu glätten, um das Substrat vor dem Auftragen der folgenden Schichten zu nivellieren – eine wichtige Aufgabe, da solche Artefakte die Farbwahrnehmung beeinflussen können. Eine gute Schleifbarkeit des Primers ist ebenfalls erwünscht, um die Verarbeitung zu erleichtern. Heutzutage ist auch die Pigmentierung eines Primers eine Anforderung, da die Auswahl eines farblich abgestimmten Primers dazu beitragen kann, die Dicke der nächsten Schicht zu reduzieren.
Letzte Schicht(en): ein- und zweikomponentige Deckschichten
Der nächste Layer ist der oberste Layer, der für den Endbenutzer am wichtigsten ist – er ist verantwortlich für die visuellen Aspekte der gesamten Beschichtungsstruktur. Man kann ihn als „Deckschicht“ bezeichnen – er muss Farbe, Glanz, Gleichmäßigkeit sowie Beständigkeit gegenüber Lösungsmitteln, Witterungseinflüssen und anderen Chemikalien bieten. Der dreischichtige Ansatz wird immer noch für einfarbige Beschichtungen verwendet. In den 1960er Jahren wurden jedoch Effektfarben eingeführt und bestanden ursprünglich aus Aluminium-Pigmenten. Der „Effekt“, den sie erzeugten, beruhte auf Helligkeitsänderungen durch Variationen in der Menge des von der Oberfläche reflektierten Lichts mit den wechselnden Betrachtungswinkeln. In den kommenden Jahren wurden die Techniken weiterentwickelt, und heute werden neue Arten von Effektpigmenten verwendet. Sie bestehen aus großen Partikeln, die oft empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen sind, und als solche muss die Pigmentschicht besonders geschützt werden. In einem vierlagigen Ansatz wird die Pigmentschicht als „Basecoat“ bezeichnet und die Schutzschicht als „Klarlack“, wodurch die Funktion einer Deckschicht in zwei separate Schichten aufgeteilt wird. Die Basislackschicht liefert Farbe, Effekte und ästhetische Aspekte, während der Klarlack Glanz, Härte und Robustheit verleiht.
Komplexes System dünner als drei menschliche Haare Die Beschichtungsstruktur der Autokarosserie ist ein komplexes System von Schichten, deren Eigenschaften miteinander verflochten sind – jede erfüllt eine spezifische Rolle, und zusammen erfüllen sie die vorgegebenen Anforderungen. Es ist ein erstaunliches Beispiel für menschliche Einfallsreichtum, bei dem Wissenschaftler, Ingenieure, Autolackierer und Techniker über Jahre hinweg zusammengearbeitet haben, um die besten Leistungen zu erzielen. Die Arbeit ist jedoch noch nicht abgeschlossen – ständig werden neue Farben, stärkere Beschichtungen und Innovationen entwickelt, um die Autos für die Kunden immer interessanter und zuverlässiger zu machen.
Referenzen und weiterführende Literatur:
- Placek, “Estimated worldwide motor vehicle production from 2000 to 2022”, 2023, www.statista.com
- Goldschmidt, H.-J. Streiberger, BASF Handbook on Basics of Coating Technology, 2003, Vincentz Network, Hannover, Germany
- Poth, Automotive Coatings Formulation: Chemistry, Physics and Practices, 2008, Vincentz Network, Hannover, Germany
Doctor K, August 2023